Organspende & Widerspruch:  Zustimmung oder Widerspruch detailliert erklären

Täglich sterben in Deutschland drei Menschen, da zu wenig Spenderorgane zur Verfügung stehen. Wieso das so ist, wie die Gesetzeslage zum Thema Transplantationen aussieht und wie Sie selbst zum Spender werden, oder eine Organspende ablehnen können, erfahren Sie hier.

Das neue Gesetz tritt voraussichtlich im ersten Quartal 2022 in Kraft

Die aktuell geltende, sogenannte Entscheidungslösung, bleibt im Wesentlichen unverändert. Das neue Gesetz der „Erweiterten Zustimmungslösung“ beinhaltet insbesondere Maßnahmen, die zu einer besseren Information führen sollen und sieht vor, ein Onlineregister für die Erklärung zur Organspende (Zustimmung oder Ablehnung) zu schaffen. Das Gesetz bestätigt aber auch, dass neben dem Organspendeausweis die Patientenverfügung ein Ort bleibt, an dem man unabhängig eines derartigen Registereintrages seine Haltung zur Organspende rechtswirksam dokumentieren kann. Und sie ist der einzige wirklich geeignete Ort, an dem dies im Zusammenhang mit den Verfügungen zu lebenserhaltenden Maßnahmen widerspruchsfrei und so detailliert wie gewünscht formuliert werden kann. Welche Möglichkeiten ein zukünftiger Registereintrag also anbietet oder nicht, kann von Ihnen vernachlässigt werden, wenn Sie Ihre Haltung zur Organspende in Ihrer Patientenverfügung dokumentieren oder bereits dokumentiert haben.

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Organspende: Wer spendet heute?


In Deutschland gilt für Organspenden die Entscheidungslösung: Nur wer zu Lebzeiten durch einen Organspendeausweis oder eine Patientenverfügung seine Einwilligung erteilt, kommt für eine Organspende infrage. Gibt es keine solche Erklärung, werden die Angehörigen des Verstorbenen zu dessen mutmaßlichen Willen befragt.

Wer kann Organe spenden?

Um Organe zu spenden, muss, mit Ausnahme der Lebendorganspende, zunächst der unumkehrbare Ausfall aller Hirnfunktionen (Hirntod) des Spenders festgestellt werden. Das heißt, die Gesamtfunktion des Groß- und Kleinhirns sowie des Hirnstamms sind unwiderruflich erloschen, das Herz-Kreislauf-System wird jedoch künstlich am Leben erhalten. Meist kommt jedoch der Herzstillstand dem Hirntod zuvor, was eine Spende unmöglich macht.

Aktuelle Zahlen zur Organspende in Deutschland

Die Diskrepanz zwischen Organspendern und Patienten auf Organspende-Wartelisten ist groß. 2017 wurden laut des Jahresberichtes der „Deutschen Stiftung Organtransplantation“ 2.765 Organe transplantiert, 2012 waren es noch 3.706. Hingegen warteten circa 10.000 Personen auf eine Organspende.

Und das, obwohl die Bereitschaft zur Spende in Deutschland sehr hoch ist: Eine repräsentative Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 2018 ergab, dass 81 Prozent der Deutschen eine Organspende befürworten, jedoch hatten nur 32 Prozent der Befragten bereits einen Organspendeausweis.

Was beinhaltet das neue Gesetz im Detail?


Lang stand zur Diskussion, ob die aktuelle Entscheidungslösung bzw. Zustimmungslösung von der Widerspruchslösung abgelöst werden soll. Im Januar 2020 haben sich die Abgeordneten des Bundestag in einer Abstimmung ohne Parteizwang für das Beibehalten des Grundprinzips einer aktiven Zustimmung entschieden und sich damit gegen den Automatismus der alternativ zur Abstimmung gestandenen Widerspruchslösung entschieden.

Kritiker sagen, dass das neue Gesetz wenig Veränderung bringen wird. Hier erfahren Sie, welche Neuerungen mit dem Gesetz verbunden sind.

Die wesentlichen Punkte

  • Ein Online-Register wird beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte eingerichtet. Die Entscheidung, dort den Eintrag für oder gegen eine Organspende vornehmen zu lassen, beruht auf Freiwilligkeit.
  • Die Ausweisstellen von Bund und Ländern müssen im Rahmen der Ausweiserstellung über das Thema informieren.
  • Ärzte können ihre Patienten alle 2 Jahre über das Thema informieren und beraten.

Was bewegt die Menschen bei Ihrer Entscheidung gegen eine Organspende?


Viele Menschen fürchten, dass sie als Organspender im Rahmen der intensivmedizinischen Behandlung benachteiligt werden. Einmal abgesehen davon, dass dies gegen den ärztlichen Eid und geltende Gesetze verstoßen würde, erhalten Ärzte erst nach der Feststellung des Hirntods Einblick in das zukünftige Onlineregister.

Ältere Menschen meinen, dass ihre Organe nicht mehr für eine Transplantation geeignet sind. Das ist ein Irrtum. Viele Organe von Menschen mit hohem Alter werden erfolgreich transplantiert.

Menschen haben Angst, dass sie aufgrund Ihrer Organspendebereitschaft unnötig lange künstlich am Leben gehalten werden, um die damit verbundenen intensivmedizinischen Maßnahmen durchführen zu können. Auch einer solchen Befürchtung kann man im Rahmen einer Patientenverfügung durch zeitliche Vorgaben entgegenwirken.

Darüber hinaus gibt es eigenste, ethische Gründe, die einen Menschen dazu bewegen, einer Organspende nicht zuzustimmen. Das ist und soll auch zukünftig eine ganz persönliche Entscheidung bleiben. Meine Patientenverfügung wahrt auch hier das Prinzip der Neutralität, unterstützt jedoch die Nutzer dabei, sich im Rahmen der Erstellung eine Patientenverfügung zu informieren und eine Entscheidung bewusst zu treffen.

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Der sichere Weg: Angaben zur Organspende in Patientenverfügung

Egal, welche Möglichkeiten das zukünftige Onlineregister bieten wird, ist und bleibt es ein sicherer Weg, Ihre Entscheidung zum Thema Organspende in einer Patientenverfügung zu dokumentieren. Eine solche Verfügung wird auch nach der eventuellen Einführung des Onlineregisters ihre Gültigkeit behalten.

In einer Patientenverfügung können Sie detailliert jede Situation beschreiben, in der Sie einer Organspende widersprechen oder zustimmen – sowohl auf Ihren Gesundheitszustand bezogen als auch auf Sonderwünsche hinsichtlich einzelner Organe. Haben Sie zum Beispiel aus ethischen oder anderen Gründen Probleme mit der Spende Ihres Herzens, können Sie explizit die Spende dieses Organs ablehnen, während Sie hingegen der Entnahme Ihrer Nieren zustimmen.

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Pro & Contra: Was hat für und gegen die Widerspruchslösung gesprochen?


In einer kleinen Nachbetrachtung wollen wir noch einmal einen Blick auf das Für und Wider der abgelehnten Widerspruchslösung von Jens Spahn werfen. Kritisiert wurde vor allem der tiefe Eingriff in das Recht der Selbstbestimmung. Eine Spende setzt die Freiwilligkeit voraus. Somit dürfe eine Enthaltung nicht automatisch als Zustimmung gewertet werden.

Viele Gegner der Widerspruchslösung haben auch gefürchtet, dass das Vertrauen der Bevölkerung hinsichtlich der Organspende darunter eher leiden wird, wenn man das Thema mit einer gesetzlichen Verpflichtung zur Entscheidung verknüpft. Der Gedanke, dass man einen derartigen Eingriff erlaubt, ohne eine bewusste Entscheidung dafür getroffen zu haben, war für viele nicht vorstellbar. Eine Auflistung der Pro- und Contra-Argumente zur Widerspruchslösung bei Organspende finden Sie hier:

Argumente für die Widerspruchslösung:

  • Erhoffte Steigerung der Organspender um 20 bis 30 Prozent
  • Schnellere Handhabung in Krankenhäusern im Fall des Hirntodes
  • Stärkere Präsenz des Themas im Bewusstsein der Bevölkerung
  • Kein Zwang zur Organspende

Argumente gegen die Widerspruchslösung:

  • Die Widerspruchslösung zur Organspende sei verfassungswidrig. Denn sie sei ein tiefer Eingriff in das Recht auf Selbstbestimmung, da Schweigen hier automatisch Zustimmung bedeutet.
  • Widersprüchliche Aussagen möglich
  • Andere Maßnahmen (Organisation in Krankenhäusern und bei der Pflege) sind wichtiger

FAQ zu Organspende:

Das neue Gesetz zur erweiterten Zustimmungslösung tritt im ersten Quartal 2022 in Kraft. Die wesentlichen Neuerungen sind:

  • Ein Onlineregister um seine Entscheidung für oder gegen ein Organspende einzutragen
  • Eine Informationspflicht der Ausweisstellen von Bund und Ländern
  • Die Möglichkeit für Ärzte, Ihre Patienten alle 2 Jahre zum Thema zu informieren und beraten

Die Widerspruchslösung, so wie ursprünglich auch einmal bei uns vorgesehen war, gilt bereits in folgenden Ländern:

  • Bulgarien
  • Frankreich
  • Irland
  • Italien
  • Lettland
  • Liechtenstein
  • Luxemburg
  • Österreich
  • Polen
  • Portugal
  • Slowakei
  • Slowenien
  • Spanien
  • Tschechien
  • Türkei
  • Ungarn
  • Zypern

In anderen Ländern haben Angehörige nach dem Hirntod eines Patienten die Möglichkeit, einer Organspende zu widersprechen, sollte keine Aussage des Patienten dazu vorliegen. Die Widerspruchsregelung mit Einspruchsrecht der Angehörigen gilt in Belgien, Estland, Finnland, Litauen und Norwegen.

Umfragen zufolge ist die Einstellung der Deutschen zur Organspende grundsätzlich positiv, trotzdem besitzt nur ein Bruchteil einen Organspendeausweis. Dies liegt, Experten und Politikern zufolge, vor allem an der unzureichenden Informationslage der Bevölkerung. Die Deutschen setzten sich nicht ausreichend mit der Problematik auseinander. Da die Organspende aktuell einer aktiven Zustimmung bedarf, sei die Hemmschwelle höher.

Außerdem sei das Vertrauen der Bevölkerung aufgrund des bundesweiten Transplantations-Skandals von 2011 geschwächt. Damals gab es mutmaßlich Verstöße einzelner Transplantationszentren, um die Wahrscheinlichkeit der Organ-Vergabe an Patienten des eigenen Zentrums zu erhöhen.

Die doppelte Widerspruchslösung war Bestandteil des Gesetzesentwurfs von Jens Spahn. Sie sollte sicherstellen, dass niemand gegen den Willen zum Organspender wird. Die Widerspruchslösung sollte darin bestehen, dass jeder volljährige Bürger Deutschlands automatisch zum Organspender wird, lehnt er diese nicht aktiv ab. Dennoch hätten die Ärzte im Fall des Hirntodes des Patienten vor der Entnahme von Organen zunächst die Angehörigen nach den Wünschen des Verstorbenen befragen müssen, um sicher zu gehen, dass kein Widerspruch vorliegt. Der Gesetzentwurf hat gegen die „Erweiterte Zustimmungslösung“ im Januar 2020 im Bundestag nicht genügend Stimmen erhalten.