Gesetzentwürfe zur Organspende lassen eine Frage offen: Wie gewinnt man das Vertrauen der Menschen zurück?

Wie sehr die Menschen das Thema Organspende beschäftigt, hat auch die teilweise sehr emotional geführte Debatte im Deutsche Bundestag am 26. Juni 2019 eindrucksvoll gezeigt. Die Medien haben mittlerweile ausführlich darüber berichtet. Bei einer etwas tiefergehenden Nachbetrachtung zu den Redebeiträgen im Bundestag muss man konstatieren: Keines der vertretenen Lager sieht die jeweilige Lösung als Patentrezept dafür, das Vertrauen der Menschen in die Organspende wieder zurückzugewinnen.

Ein kurzer Rückblick

In erster Lesung wurde über drei unterschiedliche Gesetzentwürfe zur Neuregelung der Organspende in Deutschland diskutiert. Bezeichnend für die hohe Emotionalität ist, dass es zwei fraktionsübergreifende Gesetzentwürfe gibt und sich maßgebliche Gesundheitspolitiker der Regierungsfraktionen deutlich unterschiedlich positionieren. Während Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und SPD Fraktionsvize Prof. Dr. Karl Lauterbach die Zahl der Organspender in Deutschland durch eine doppelte Widerspruchslösung erhöhen wollen, sehen die Vorsitzende der Grünen Annalena Baerbock und Katja Kipping von den Linken, aber auch Abgeordnete der Regierungsfraktionen und der FDP dies als einen zu großen Eingriff in die persönliche Freiheit und eine Umkehrung der sonst überall geltenden Zustimmungspflicht an. Sie schlagen daher alternativ eine verbesserte Zustimmungslösung mit einem Organspenderregister vor. Lediglich die AfD hat einen eigenen Gesetzentwurf als Fraktion vorgelegt.

Das eigentliche Problem: Verlorenes Vertrauen

Alle Abgeordnete einigt das Ziel, die Zahl der Organspenden erhöhen zu wollen, die Stoßrichtung der unterschiedlichen Vorschläge beschränkt sich jedoch auf formelle Gesetzesregelungen, die den Kern des Problems lediglich streifen: Mit dem Organspendeskandal 2010/2011 haben viele Menschen das Vertrauen in die Organspende verloren. Ungeachtet der rein faktischen Bewertung der damaligen Vorkommnisse und verstärkt durch eine intensive Berichterstattung in den Medien bestehen weiterhin Ängste und Zweifel, die viele Menschen daran hindern, ihre Organspendebereitschaft zu erklären. Wir sprechen hier also von einer emotionalen Hürde, die in den geplanten gesetzgeberischen Maßnahmen kaum Berücksichtigung finden. Im Gegenteil: die geplanten Pflichten und Automatismen könnten diese Hürde sogar noch verstärken. Was könnte hier jedoch Abhilfe schaffen? 

Die Lösung: Patientenverfügung und Organspende verknüpfen

Statt der pauschalen und für sich alleine stehenden Erklärung bzw. Verpflichtung der Menschen für oder gegen die Organspende sollte eine Entscheidung bewusst, informiert und frei von Ängsten und Zweifeln getroffen werden können. Dies ist letztendlich nur im Rahmen einer Patientenverfügung möglich, weil genau und nur dort die Wechselwirkungen zwischen den Entscheidungen zu lebenserhaltenden Maßnahmen und der Organspende ausreichend behandelt werden können. Wann sonst setzt man sich so intensiv mit den eigenen Wertevorstellungen auseinander, als bei der Erstellung einer Patientenverfügung? Hier beschäftigt man sich eingehend mit verschiedenen, möglicherweise eintretenden Situationen, bewertet die jeweils dabei für sich empfundene Lebensqualität und entscheidet in Folge welche intensivmedizinischen Maßnahmen man ablehnt oder wünscht. Und rein faktisch gesehen ist die Entscheidung für eine Organspende auch eine Entscheidung für bestimmte intensivmedizinische Maßnahmen.

Zur Erinnerung: Für eine Organspende sind zeitlich befristet intensivmedizinische Maßnahmen zwingend erforderlich, da die Organfunktion bis zur Organentnahme erhalten werden muss. Eine Ablehnung lebenserhaltener Maßnahmen schließt deshalb eine Organspende aus. Auch der Wunsch die letzte Phase des Lebens möglichst zuhause oder in vertrauter Umgebung zu verbringen, steht daher beispielsweise im Widerspruch zur Organspendebereitschaft, da eine Organentnahme zwingend in einer klinischen Intensivstation erfolgen muss.

Warum sollten Menschen darüber hinaus in der Patientenverfügung nicht auch einen Vorrang definieren (Verfügungen oder Organspende hat Vorrang) können oder einer Organspende nur in bestimmten Situationen zustimmen, bevor sie aus Unsicherheit eine pauschale Ablehnung aussprechen? Zugleich würden damit Widersprüche vermieden, die heute bei einer Vielzahl von Menschen zwischen der Organspendeerklärung und einer separaten Patientenverfügung bestehen und im Ernstfall Angehörige sowie Ärzte einer großen Unsicherheit aussetzen. Widersprüche die übrigens auch bei den zukünftig geplanten Regelungen weiterhin bestehen bleiben würden.

Aus diesem Grunde schlägt die Deutsche Gesellschaft für Vorsorge vor, sowohl im Transplantationsgesetz wie auch im § 1901a BGB zu regeln, dass in eine Patientenverfügung zwingend eine Erklärung zur Organspende aufgenommen werden muss. 

Gut zu wissen: Eine Organspendeerklärung im Rahmen der Patientenverfügung behält Ihre Rechtswirksamkeit

Beide vorliegenden Gesetzentwürfe erklären die Patientenverfügung neben etwaigen Widerspruchs- oder Zustimmungsregistern zumindest als eine legitime Möglichkeit dafür, seine Entscheidung für oder gegen eine Organspende rechtswirksam zu erklären. Diejenigen, die bereits heute proaktiv im Rahmen der Erstellung ihrer Patientenverfügung auf www.meinepatientenverfügung.de die umfassende Möglichkeit genutzt haben, ihre Haltung zur Organspende zu dokumentieren, aber auch diejenigen, die dies noch planen, können also einer für Oktober geplanten Entscheidung für oder gegen die Widerspruchslösung gelassen entgegensehen.